Zur Wandlung der Agrarstruktur in Grönloh
von Werner Sickmann


Eckpunkte in der agrarstrukturellen Veränderung der Ortschaft Grönloh nach dem Zweiten Weltkrieg sind zum einen das Auslaufen des Heuerlingswesens, das Mitte der fünfziger Jahre einsetzte und bald nach 1970 weitgehend abgeschlossen war, zum andern ist es die fast parallel zum sogenannten "Wirschaftswunder“ verlaufende negative Preisentwicklung für landwirtschaftliche Produkte, die die Rentabilität auch der hiesigen Agrarwirtschaft stark beeinflußte.



Diese beiden Erscheinungen stehen sicher in einer gewissen Wechselbeziehung; der Wegfall der Arbeitsleistung durch die Heuerlinge machte den Einsatz von Lohnarbeit - d.h. durch Anstellung von Arbeitskräften wie auch den überbetrieblichen Maschineneinsatz durch das landtechnische Gewerbe - notwendig. Daneben war es zunehmend schwieriger geworden, eine entsprechende Entlohnung für die wenigen noch als Heuerlingen bzw. schon als Landarbeiter tätigen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zu zahlen, weil man mit der allgemeinen Preis- und Lohnentwicklung der übrigen Wirtschaft nicht Schritt halten konnte. - Es sei nur daran erinnert, wie schwerfällig es in den 60er Jahren überhaupt nur zu bescheidenen Preiserhöhungen für die Landwirtschaft kam, die zunehmend von den Beschlüssen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft abhängig war. Andererseits prosperierte in dieser Zeit sehr nachhaltig die gewerbliche Wirtschaft, was erst Ende des Jahrzehnts durch vorübergehende Rezession unterbrochen wurde.



Angesichts dieser Voraussetzung zeigte sich deutlich, daß die bestehenden Strukturen sich nicht mehr lange halten konnten. Daneben muß sicher auch kritisch angemerkt werden, daß der Mut zu Reformen bei vielen Bauern gering war, und man sich oft erst dann dazu bereitfand, als der Druck der finanziellen Verhältnisse einen Ausweg erzwang. Die dem Bauern der hiesigen Gegend gelegentlich unterstellte Immobilität bei wirtschaftlichen Überlegungen trifft sicher auch für Grönloh zu. Daneben spielen persönliche Tüchtigkeit bzw. ihr Gegenteil eine bedeutende Rolle. Der eine brachte sich und seinen Hof besser über die Zeiten als der andere, dessen Voraussetzungen ähnlich waren. - Auf einen kurzen Nenner gebracht, hieß das: Man tat das, was der Gewohnheit, oft im besten Sinn der Tradition entsprach, leider nicht das, was in wirtschaftlicher Hinsicht richtig gewesen wäre. Insofern verlor man z.T. den Anschluß an die allgemeine Entwicklung; negative Betriebsergebnisse - neben vielen persönlichen Faktoren, die hier nicht näher zu spezifizieren sind - belegen das. Diese Entwicklung mußte auf Dauer die Substanz der Höfe belasten und hat dazu geführt, daß in Grönloh seit ca. 1955 der fast ausschließlich land- und forstwirtschaftlich genutzte Boden zu etwa einem Drittel seinen Eigentümer gewechselt hat. Diese Tatsache ist sehr gravierend, besonders auch auf dem Hintergrund eines historischen Vergleichs: Setzt man die Viehschatzregister von 1490 bis ins 18. Jahrhundert in Beziehung, so zeigen sich neben einer nur allmählichen Erhöhung der Viehstückzahlen bis in dieses Jahrhundert nur geringe Veränderungen hinsichtlich der Anzahl der Höfe.



Dietrich Korfhage beschreibt die Besiedlung der Gemeinde Grönloh in drei Stufen:



1. Gründung der Erbenstellen im bischöflichen Sundern gegen Ende des 13. Jahrhunderts;

2. die Markkottensiedlung in der Umgebung des Sunderns und auf dem Fledder von der 2. Hälfte des 15. bis Anfang des 17. Jahrhunderts;

3. die Ansetzung von Neubauern nach der Markenteilung im 19. Jahrhundert. (Etwa vom 16. bis 18. Jahrhundert entstand dann noch eine Verdichtung der Besiedlung auf den Grundstücken der Höfe durch Bau von Heuerhäusern)



Insofern kann, ohne Einzelheiten näher zu verifizieren, gesagt werden, daß sich bis zur Mitte der 50er Jahre bemerkenswert wenig veränderte, denn die allgemeinden Veränderungen nach dem 1. Weltkrieg, die besonders unter den Heuerleuten zu umfangreichen Forderungen führten, wurden in der NS-Zeit gestoppt. Die bewußte Förderung der Landwirtschaft unter dem Nationalsozialismus (Blut und Boden-Theorie, Autarkie des Deutschen Volkes etc.) sowie die kurz nach Kriegsende erneut angesagte "Erzeugungsschlacht", um die vielen zugewanderten Menschen zu ernähren, haben den Strukturwandel wohl zeitlich verzögert, konnten ihn aber nicht verhindern. Auf einem so eng besiedelten Raum wie der Bundesrepublik Deutschland konnte nur eine effiziente Industrie den Menschen wieder ausreichend Arbeit und Lohn bringen.



Besonders seit Mitte der 60er Jahre hat es eine laufende Verminderung landwirtschaftlicher Betriebe gegeben, und es erscheint auf Grund der allgemeinen Liquiditätslage in der Landwirtschaft wahrscheinlich, daß die Zahl - auch in Grönloh - noch weiter abnimmt. Derzeit gibt es noch ca. 8-10 Betriebe, die als Vollerwerbsbetriebe gelten können, 1970 war die Zahl noch mehr als doppelt so hoch, und möglicherweise ist der Zeitpunkt nicht mehr fern, daß nur noch 3-4 Vollerwerbsbetriebe (Vollerwerbsbetrieb = über 50% des Einkommens aus der Landwirtschaft!) in Grönloh existieren.



Da stellt sich die Frage nach der Bewirtschaftung der Ländereien. Schon heute wird etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht vom Eigentümer bewirtschaftet. An dieser Stelle drängt sich der Hinweis auf die Lage Grönlohs an der Nahtstelle zum äußerst agrarintensiven Landkreis Vechta auf. Große Flächeneinheiten sind an Landwirte bzw. als Gewerbebetrieb geltende landwirtschaftliche Unternehmer verpachtet oder verkauft. Der "Landhunger“ von Bewerbern aus dem Südoldenburger Raum erklärt sich vornehmlich aus zwei Gründen: Einerseits ist die landwirtschaftliche Produktion aus steuerlichen Gründen an den Boden gebunden (d.h. bei Überschreiten einer bestimmten Viehzahl pro ldw. Flächeneinheit wird man "gewerblich“, was eine wesentlich höhere Besteuerung nach sich zieht), andererseits gilt sie aus Gründen des Umweltschutzes: Man muß pro Vieheinheit eine bestimmte landwirtschaftliche Fläche zur Dung- bzw. Gülleentsorgung nachweisen können, sei es als Pacht- oder Eigenland, sonst bekommt der Betrieb Auflagen, die bis zur Stillegung gehen können (Die Berechnung einer Dungeinheit (DE) basiert auf einer Menge an Gülle oder Geflügelkot, die nicht mehr als 80 kg Stickstoff, bewertet als Gesamtstickstoff, oder nicht mehr als 70 kg Phosphat, bewertet als Gesamtphospaht, enthält.). Als Höchstwert für das übliche Maß landwirtschaftlicher Düngung ist eine Düngergabe von drei DE je Hektar und Jahr anzusehen. Seit dem 1. Februar 1990 gilt ein neuer Erlaß, demnach ist die DE von 3 auf 2,5 gesenkt, außerdem ist der Ausbringungszeitraum auf die Vegetationsperiode begrenzt.



Diese Produktionsbeschränkungen haben neben der bis dato geltenden Mehrwertsteuerregelung eine erhöhte Nachfrage auf dem Bodenmarkt bedingt. Das führte in den Randgebieten dieses in Europa einmaligen Produktionsgebietes tierischer Produkte zu einer unnatürlichen Entwicklung: Es wurden Flächen zu Preisen gekauft bzw. gepachtet, die aus den Mitteln eines nach herkömmlichen Methoden wirtschaftenden Landwirts nicht zu erzielen sind. Diese Entwicklung der ldw. Produktion, die gerade auch in Grönloh deutlich wird, ist aus ökologischen wie auch aus Gründen der Erhaltung dörflicher Strukturen sehr bedenklich. Es kann uns nicht gleichgültig lassen, daß das Wasser aus dem eigenen Brunnen, das jahrhundertelang unbedenklich für Leben und Gesundheit war, nun oft nicht mehr verwendet werden darf, weil hohe Nitratwerte als Ergebnis überzogener Düngung festgestellt werden (Fast im gesamten Kreis Vechta sieht es hinsichtlich Nitratbelastung des Grundwassers noch viel schlimmer aus!)



Mit dem Strukturwandel eng verbunden ist der Zustand der Gebäude auf den Höfen. Insbesondere viele ehedem für die landwirtschaftliche Produktion benötigte Nebengebäude drohen zu verfallen, weil sie keine entsprechende Nutzung mehr erfahren und die Kosten für Instandhaltung meistens nicht mehr aufgebracht werden können. - Oft sind ganze Hofstellen verkauft worden, die von den neuen Eigentümern lediglich zu Wohnzwecken genutzt werden. So verhält es sich auch mit Heuerhäusern. Einige wurden an die ehemaligen Heuerlinge verkauft, andere an Bürger aus der Stadt und schließlich ist eine größere Zahl, die zudem meistens stark baufällig war, abgebrochen und eingeebnet worden. Auf den Höfen, wo noch eine landwirtschaftliche Produktion stattfindet, hat man moderne Zweckbauten errichtet, da die alten, zumeist in Fachwerk errichteten Gebäude nur noch bedingt genutzt werden können. So hat sich eine schwierige Situation ergeben: Die Erhaltung alter Bausubstanz erfordert ebenso einen hohen Kapitalaufwand wie neue Produktionsgebäude. Wer in dieser Lage steckt, entscheidet sich fast regelmäßig für letzteres, um zeitgemäß produzieren zu können.



Wenn früher ein Hof in Grönloh sowohl Rindvieh, Schweine, Pferde und Kleinvieh aufwies, so ist es heute schon eine Seltenheit, wenn all diese Zweige noch vorhanden sind. Im Regelfall hat man sich auf eine, höchstens zwei Sparten spezialisiert, der Bauernhof mit einer vielfältigen Tierwelt und entsprechend artenreicher Ackerwirtschaft ist auch in Grönloh im Aussterben begriffen. Wirtschaftliche Zwänge, Arbeitskräftemangel sowie veränderte Familienstrukturen taten dazu ein übriges.



Vieles hat das Leben in dem Ortsteil Grönloh stark verändert, und es stellt sich für den Betrachter die bange Frage, welche weiteren Verwerfungen der allgemeine Strukturwandel auch für Grönloh noch mit sich bringt, zumal nach übereinstimmenden Aussagen der Wissenschaftler gerade dem Agrarbereich noch tiefgreifende Veränderungen bevorstehen. Der europäische Binnenmarkt ab 1992 dürfte Motor dieser Entwicklung sein. Grönloh war bis zum Beginn dieses ungeheuren Strukturwandels im Prinzip ein Bauerndorf, da fast jedes Haus irgendwie mit landwirtschaftlicher Erzeugung verbunden war, und sei es auch nur im Nebenerwerb. Heute betreibt nur noch eine Minderheit die Landwirtschaft. Demnach ist bereits heute der Wandel von einem Bauerndorf zu einer ländlichen Einwohnergemeinde vollzogen, da die Mehrheit der Bevölkerung außerhab der Ortschaft beruflich tätig ist.



Quellen:



- Dietrich Korfhage: Die Bauernschaft Grönloh - Eine Siedlung aus dem Hochmittelalter in: KHBB Nr. 6, 1957
- Heide Wunder: Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, Göttingen 1986
- § 15, Abs. 5 des Abfallbeseitigungsgesetztes für Nds., hier: Erlaß über Gülleausbringung vom 13. 4. 1983 und 1. 12. 1989
- eigene Erhebungen des Verfassers
- Hans Triphaus: Das Heuerlingswesen im Nordteil des Kreises Bersenbrück im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert, Berge 1981