Alte Grönloher Handwerksbetriebe


von Wolfgang zur Stadt


Die Geschichte Grönlohs ist seit seiner Besiedelung zu Beginn des 13. Jahrhunderts geprägt von der Landwirtschaft. Ackerbau und Viehzucht gaben den Einwohnern ihr Auskommen und der Landschaft ihre Gestalt. Auch heute noch hat die Landwirtschaft in Grönloh einen hohen Stellenwert, wenngleich ein stetig wachsender Teil der Bevölkerung sein Haushaltseinkommen in anderen Berufen verdient und einige Höfe nur noch als Nebenerwerb bewirtschaftet werden.



Für einen bedeutenden Teil der ländlichen Bevölkerung in Grönloh war die Landwirtschaft aber auch schon im 17. Jahrhundert nicht die alleinige Erwerbsquelle. Durch den starken Bevölkerungszuwachs wuchs damals auch die Zahl der von den Höfen auf ihrer Besitzfläche errichteten Heuerstellen. Durch Teilung von Heuerstellen mußten darüber hinaus oftmals zwei Familien in einem Kotten wirtschaften und wohnen. Für die einzelne Heuerlingsfamilie stand zwangsläufig weniger Land zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Von der Bestellung der oft nur wenigen Scheffelsaat Ackerfläche und der Haltung vielleicht eines Schweines oder einer Ziege sowie einiger Hühner konnten die meisten Heuerlingsfamilien allein nicht leben. An die Erwirtschaftung eines Überschusses zur Eigentumsbildung war überhaupt nicht zu denken.



Aus dieser wirtschaftlichen und sozialen Notlage heraus versuchten viele Heuerlinge, durch gewerbliche und handwerkliche Arbeit ein Zubrot für den Lebensunterhalt ihrer Familie zu verdienen. Diese Tätigkeiten entwickelten sich überwiegend aus dem landwirtschaftlichen Umfeld heraus. Weit verbreitet waren das Flachsspinnen, das Holzschuhmachen sowie die Besenbinderei, viele verrichteten auch Zimmer- und Tischlerarbeiten. Mit der Zeit wuchs bei einigen Heuerleuten die Bedeutung dieser ursprünglichen Nebenbeschäftigungen für die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie, das Handwerk wurde zum Haupterwerb.



Neben den bereits genannten Handwerksberufen gab es in Grönloh Stellmacher, Müller, Maurer, Schneider und Schuhmacher, auch eine Schmiede wurde hier betrieben. Die meisten dieser Handwerksbetriebe existieren heute nicht mehr, sie sind schon jetzt Grönloher Geschichte.



Schriftliche Unterlagen über die alten Werkstätten wie Auftragsbücher oder Rechnungen finden sich, wenn überhaupt, nur aus der Zeit nach 1900. In Ermangelung anderer Quellen stützt sich dieser Beitrag zur Grönloher Handwerksgeschichte zum größten Teil auf mündliche Berichte von Grönloher Einwohnern, die als Zeitzeugen den Werdegang der alten Grönloher Handwerksbetriebe selbst miterlebt haben. Ihnen gilt an dieser Steile besonderer Dank für die Unterstützung und Auskunftsbereitschaft. Durch die mündliche Überlieferung sind naturgemäß die Informationen über die Zeit vor der Jahrhundertwende sehr bruchstückhaft. Von einigen Grönloher Handwerkern ist so z.B. heute nur noch der Name bekannt.

Eine bloße Aufzählung der Namen ist sicherlich nicht sinnvoll, andererseits scheitert eine vollständige Behandlung sämtlicher Handwerksbetriebe in Grönloh an der in vielen Fällen fehlenden Informationsquelle.



Der vorliegende Artikel beschränkt sich deshalb auf alteingesessene Grönloher Handwerksbetriebe, die mehrere Generationen überdauert haben und in unserern Jahrhundert noch bestanden. Dieser Vorgehensweise kommt im übrigen auch die Tatsache zugute, daß es in Grönloh gerade in der Zeit von 1900 bis 1909 durch ein umfangreiches Angebot von Pachtflächen zu einer sprunghaften Neuansiedlung von Handwerksbetrieben kam.





Schmiede



Die heute wohl älteste Werkstatt in Grönloh ist die Schmiede, die zu einem der ehemaligen Heuerhäuser des Hofes Wulfert (heute Sickmann) gehört.

Eine genaue Datierung des noch weitgehend erhaltenen Gebäudes wird neben nicht vorhandenen Balkeninschriften auch durch im Laufe der Zeit vorgenornmene Umbauten erschwert. Wahrscheinlich wurde aber spätestens seit Ende des 18. Jahrhunderts an dieser Stelle eine Schmiede betrieben



Leider sind sämtliche Unterlagen über die Grönloher Schmiede und ihre Betreiber in den siebziger Jahren mit der Auflösung der Werkstatt verlorengegangen. Mit Hilfe des Pohlsander'schen Archives konnte die Schmiedetradition in Grönloh jedoch zumindest bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts fast lückenlos zurückverfolgt werden.



Der älteste namentliche bekannte Heuermann und Schmied in Grönloh war demnach Friedrich Wilhelm Pöning (* 7.8.1790, gest 20.6.1846 in Grönloh). Der aus Levern in Westfalen stammende Pöning kam durch Heirat mit Catharine Lucia Theile (* 3. 10. 1791 in Grönloh, gest 12. 7. 1825 in Grönloh Nr. 24 (Hof Netheler) nach Grönloh. Ob deren Vater schon Schmied war, der Schwiegersohn also in eine bestehende Werkstatt eingeheiratet, oder sie später bei der Heuerstelle selbst errichtete, war nicht sicher nachzuweisen.



Nach dem frühen Tod seiner 1. Ehefrau, die schon mit 33 Jahren starb, heiratete Pöning in 2. Ehe Maria Elsabeth Brickwehde, eine Tochter von Hermann Heinrich Brickwehde und Lücke Elsabeth Brickwehde, geb. Messmann.



Wer nach dem Tod von Friedrich Wilhelm Pöning die Schmiede zwischen 1846 und 1862 weiterführte, ist nicht genau bekannt, möglicherweise war es Johann Gerhard von der Neustadt (* 6. 10. 1832 in Grönloh, gest 27. 11. 1901 in Grönloh) der als Schmied in der Grönloher Werkstatt gearbeitet hat. Aus der Ehe ging die Tochter Catharine Marie Elise im Gehne (* 1868 in Grönloh, gest 27. 5. 1955) hervor. Nach dem Tod von Hermann Rudolf im Gehne heiratete seine Witwe 1876 Ernst Heinrich Gerhard Overbeck, der den Schmiedebetrieb übernahm. Die aus der 1. Ehe seiner Frau stammende Tochter Catharine Marie Elise heiratete am 15.10.1896 Hermann Christian Tackenberg (gest 1945). Der aus der Gegend um Geffeln stammende Schwiegersohn wurde später Overbecks Nachfolger als Schmied in Grönloh. Am 20.10.1907 wurde der Sohn Friedrich Hermann Tackenberg in Grönloh Nr. 5 (Hof Wulfert) als 4. Sohn des Ehepaars geboren. Nach der Schule lernte er bei seinem Vater das Schmiedehandwerk und führte später die Grönloher Werkstatt weiter. Ein Jahr nach dem Tod seines Vaters heiratete Friedrich (Fritz) Tackenberg am 15.10.1946 Ella Anna Henriette Geertz, mit der er bis zu seinem Tode am 18.10.1971 in dem Heuerhaus neben der Schmiede wohnte.



Den gewerblichen Schrniedebetrieb hatte Friedrich Tackenberg aus gesundheitlichen Gründen schon viele Jahre vorher aufgegeben.



Bis zu ihrer Stillegung war die Grönloher Schmiede ohne elektrischen Strom betrieben worden. Anstatt eines elektrischen Gebläses sorgte ein alter handbetriebener Lederblasebalg auf dem Dachboden oberhalb der Esse über Rohrleitungen für die zum Schmieden notwendige Frischluftzufuhr. Zum Inventar der Schmiede gehörte ferner eine fußbetriebene Drehbank, auf der Friedrich Tackenberg noch in den 40er Jahren u.a. Wagenradnaben und Antriebswellen bearbeitete.



Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft mit der Verdrängung des Pferdes durch den Traktor und der industriellen Produktion von Landmaschinen sowie der Entstehung neuer Berufsbilder, wie dem des Landmaschinenschlossers, nahm die Bedeutung des traditionellen Schmiedehandwerks seit den 50er Jahren stetig ab. Eine hauptberufliche Weiterführung der alten Grönloher Schmiede ohne moderne technische Ausrüstung war wirtschaftlich nicht mehr vertretbar.



Da sich kein Nachfolger fand, wurde die Werkstatt nach dem Tod des letzten Grönloher Schmieds endgültig geschlossen, das gesamte Inventar verkauft.



In jüngster Zeit erlebt das Schmiedehandwerk in der Bundesrepublik durch die zunehmende Popularität des Pferdesports und die Rückbesinnung auf traditionelle Handwerkstechniken in der Bauschlosserei eine gewisse Belebung, die den uralten Beruf des Schmieds in unserer hochtechnisierten Welt möglicherweise. vor dem Aussterben bewahren könnte.





Zimmerhandwerk



Nach den Zerstörungen des 30jährigen Krieges begann im 17. Jahrhundert eine verstärkte Bautätigkeit, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit umfangreichen Neu- und Erweiterungsbauten auch im hiesigen Raum ihren Höhepunkt erreichte. Aber auch im 19. Jahrhundert florierte das Bauhandwerk im Artland. Den Zimmerarbeiten kam bei den zu damaliger Zeit überwiegend in Fachwerkbauweise erstellten Gebäuden naturgemäß die wichtigste Bedeutung zu. Durch den großen Bedarf an Zimmerleuten bot dieses Handwerk auch vielen Grönloher Heuerleuten die Möglichkeit des Zuerwerbs zur Landwirtschaft.



Eine systematische Auswertung der Hausinschriften des Kreises Bersenbrück, wie sie von Mitarbeitern des Museumsdorfes Cloppenburg durchgeführt wurde, gibt Aufschluß über Zahl und Beschäftigungsanlage der Zimmerrneister in der damaligen Zeit. Auch wenn man den bisher verlorengegangenen Gebäudebestand berücksichtigt, so kommt man zu der überraschenden Feststellung, daß der einzelne Zimmermeister wegen der Vielzahl derjenigen, die diesem Handwerk nachgingen, im Laufe seines Arbeitslebens mit seinen Gesellen und Helfern kaum die Gelegenheit hatte auch nur 6 Gebäude zu zimmern. Viele bauten gar nur eine einzige Wagenremise und lebten neben ihrer Heuerstelle ansonsten nur von kleinen Reparaturaufträgen. Umso bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund die sehr hohe Zahl der Hausinschriften, die auf den Namen Brickwehde als Baumeister hinweisen.



Johann Heinrich Brickwehde aus Grandorf (* 1750) kam Ende des 18. Jahrhunderts als Heuerrnann auf Wulferts Kotten (Heuerleute des heutigen Hofes Hermann Sickmann, vermietet an Kaiser). Da die Heuerstelle keine ausreichende Existenzgrundlage bot, erlernte der Sohn Johann Heinrich Brickwehde das Zimmerhandwerk. Von 1820 bis zu seinem Tode im Jahre 1878 wurde der Betrieb des Zimmermeisters Brickwehde zum erfolgreichsten und meistbeschäftigsten Zimmereibetrieb des gesamten Kreises. Zeugnis darüber legen noch heute 15 verschiedene Haus-, Scheunen- und Stallinschriften ab, die ihn als Baumeister ausweisen.



Sein Sohn, der wie Vater und Großvater, ebenfalls auf den Namen Johann Heinrich getauft wurde, trat die Nachfolge als Zimmermeister an. Unter seiner Leitung war der Zimmereibetrieb Brickwehde noch produktiver. Allein in Grönloh und Wehdel zeichnete er nach dem Tode seines Vaters nachweislich für die Zimmerarbeiten an 20 Gebäuden verantwortlich. In 2 Generationen findet sich der Name Brickwehde als Baumeister im gesamten Kreisgebiet in über 40 Hausinschriften. Auf dem Hof Wulfert (heute Sickmann) in Grönloh besteht die Möglichkeit, die Arbeit von Vater und Sohn Brickwehde anhand zweier Scheunen aus den Jahren 1854 bzw. 1881 unmittelbar zu vergleichen.



Im Jahre 1900 begann der Landwirt Georg Enders mit der langfristigen Verpachtung zum Teil noch unkultivierter Flächen an der ehemaligen Holdorfer Landstraße. Der Zimmermeister Johann Heinrich Brickwehde war neben dem Landwirt Rasch und dem Maurer Spree einer der ersten Pächter. Nach der Kultivierung der 2,5 Hektar umfassenden Pachtfläche siedelte die Familie Brickwehde mitsamt dem Zimmereibetrieb von der ehemaligen Heuerstelle des Wulfert'schen Hofes in das um 1901* erbaute neue Wohnhaus um. Neben dem Gebäude wurde die Zimmerwerkstatt errichtet.



12 Jahre nach der Fertigstellung der neuen Gebäude verstarb Johann Heinrich Brickwehde nach schwerer Krankheit im Alter von 67 Jahren. Die Zimmerei wurde aufgelöst, da kein Nachfolger da war, um den Betrieb zu übernehmen. Das Anwesen ging später durch Erbschaft an den Hof Netheler in Grönloh, in den die Tochter des Ehepaars Brickwehde eingeheiratet hatte.



Das alte Werkstattgebäude wurde im Zuge eines Umbaus des Wohngebäudes zu Beginn der siebziger Jahre abgerissen.


*) Die heute am Wohngebäude angebrachte Tafel weist als Baujahr 1912 aus. Wahrscheinlich handelt es sich um das Datum eines späteren Umbaus, das bei der Erstellung der Inschrift zu Beginn der 70-er Jahr fälschlicherweise als Jahr der Errichtung des Gebäudes angenommen wurde.




Korn- und Sägemühle


Im Jahre 1900 schloß der Müller Wilhelm Köper mit Georg Enders einen Erbpachtvertrag für ein etwa 4 Hektar umfassendes Grundstück in Nachbarschaft zur Pachtfläche des Zimmermeisters Brickwehde.


Nach der Kultivierung des Geländes begann Köper mit dem Bau und Betrieb einer dampfmaschinengetriebenen Kornmühle. Der neue Mühlenbetrieb konnte sich in kurzer Zeit einen umfangreichen Kundenstamm aufbauen. Auch über das Grönloher Gemeindegebiet hinaus kamen Bauern, um hier ihr Korn für den Eigenbedarf und den Verkauf zu Mehl mahlen zu lassen.



Kurze Zeit nach Aufnahme des Mahlbetriebes richtete Wilhelm Köper zusätzlich ein Sägewerk ein. Trotz der seit Ende des 19. Jahrhunderts auch im hiesigen Raum zunehmenden Verdrängung der holzintensiven Fachwerkbauweise durch den Massivbau bestanden in der holzreichen Gegend, zudem noch in unmittelbarer Nähe zu der umgesiedelten Zimmerei, gute Voraussetzungen für einen Sägemühlenbetrieb.



Die Dampfmaschine der Kornmühle, die sich im Erdgeschoß des Mühlengebäudes befand, wurde über Transmissionsriemen auch als Antrieb für das Sägewerk genutzt. Der Sägebetrieb fand anfangs noch unter freiem Himmel statt, lediglich die eigentliche Sägevorrichtung war durch ein kleines Dach vor Regen und Schnee geschützt. Um vom Wetter unabhängig arbeiten zu können, wurde später die heute noch bestehende geschlossene Überdachung über dem gesamten Sägebereich errichtet.



In dem Mühlengebäude befand sich in den Anfangsjahren auch eine sehr beengte Wohnung. 1902 wurde ein massives Wohnhaus neben dem Mühlenbetrieb errichtet, in dem die Familie Köper auch eine Gastwirtschaft betrieb (heute Gastwirtschaft Schlottmann). In der am Haus gelegenen großen Scheune wurde später eine Korntrocknungsanlage eingerichtet.



Nach dem Tode von Wilhelm Köper übernahm nach Ende des 2. Weltkrieges zunächst sein Schwiegersohn, der ehemalige Grönloher Lehrer Frasch, die Verwaltung der Korn- und Sägemühle und verpachtete sie später.



Der Pächter Drewes konnte den Betrieb jedoch nicht halten und so führte ab 1952 Hans Hengst aus Grönloh Mühle und Sägewerk auf Pachtbasis fort. Hengst hatte schon mehrere Jahre bei Köper im Betrieb gearbeitet, das Mühlen- und Sägereigeschäft war ihm von daher bestens vertraut. Er nahm in den folgenden Jahren umfangreiche bauliche Erweiterungen vor und rüstete die Mühle vom zwischenzeitlich installierten Sauggasmotor auf den heute noch bestehenden Elektroantrieb um, der die Sägewerkzeuge wie bei der alten Dampfmaschine als Zentralmotor über Transmissionsriemen antreibt.



Nach dem Tode von Hans Hengst verkauften die Köper-Erben den gesamten Betrieb 1973 an Erich Enders, den Enkel des 1930 verstorbenen Georg Enders. Die Kornmühle wurde aus Rentabilitätsgründen nicht weitergeführt, den noch bestehenden Kundenstamm übernahm die Raiffeisen-Genossenschaft in Badbergen.

Die alte Mühleneinrichtung ist noch heute vorhanden und in gutem Zustand.


Mit dem technischen Betrieb des Sägewerks wurde der Landwirt und frühere Helfer von Hans Hengst, Walter Liere aus Wehdel, betraut.


Der Strukturwandel in der Zeit seit dem 2. Weltkrieg ist auch an dem alten Sägereibetrieb nicht spurlos vorbeigegangen: War früher der Sägemüller der direkte Ansprechpartner für den Bauherren, wenn es um den Holzzuschnitt für Neu- oder Ausbau ging, so hat sich insbesondere seit den 60er Jahren ein grundlegender Wandel in der Bauholzbeschaffung vollzogen. Anstatt eine ortsansässige Sägerei mit dem Zuschnitt zu beauftragen, wird heute überwiegend über den Baustoffhandel eingekauft, der sein Material bei vertragsgebundenen Großsägewerken langfristig und auf Lager beschafft.



In der alten, handwerklich geprägten Grönloher Sägemühle führt Walter Liere hingegen nebenberuflich nur noch Einzelaufträge aus der näheren Umgebung aus, wobei der jeweilige Auftraggeber meist eigenes Holz zum Sägen anliefert.





Stellmacher



Das Stellmacherhandwerk gehört zur großen Gruppe der Tischlereiberufe. Der Stellmacher war früher hauptsächlich für den Bau und die Reparatur von Wagen und Arbeitsgeräten aus Holz zuständig. Aus diesem Grund wurde er im hiesigen Raum volkstümlich auch oft Wagenmacher genannt. Der Familienname Wagner hat sich insbesondere in Süddeutschland aus der alten Berufsbezeichnung entwickelt. Überhaupt waren viele Handwerker früher besser unter ihrer Berufsbezeichnung bekannt als unter ihrem eigentlichen Familiennamen.



Im Jahre 1908 pachtete der Stellmacher Heinrich Landwehr aus Ueffeln, wo er eine Heuerstelle gehabt hatte, von Georg Enders' ein etwa 2 Hektar umfassendes, unkultiviertes Grundstück gegenüber der heutigen Einfahrt zur Grönloher Siedlung. Anders als bei den übrigen Pächtern auf Enders Grund, die ihre Gebäude selbst errichteten, wurde das Wohn- und Wirtschaftsgebäude hier vom Verpächter erstellt. Georg Enders hatte das Fachwerkhaus in Langwege gekauft und auf der Pachtfläche in Grönloh wieder aufstellen lassen. In diesem Gebäude richtete Heinrich Landwehr seine Stellmacherwerkstatt mit den notwendigen Maschinen und Werkzeugen ein.



Der in der damaligen Zeit große Bedarf an Acker- und Kutschwagen sowie landwirtschaftlichem Arbeitsgerät aus Holz und eine Vielzah1 von Reparaturaufträgen führten zu einer guten Auslastung der Stellmacherei in Grönloh. Neben dem Werkstattbesitzer hatten in den 20er und 30er Jahren zeitweise 2 Gehilfen ihr Auskommen.



Landwehr Sohn Heinrich (* 3. Dezember 1908 in Grönloh) trat nach dem Besuch der Volksschule am 19. April 1924 die Lehre als Stellmacher im väterlichen Betrieb an und ging daneben zur gewerblichen Fortbildungsschule in Badbergen. Wegen der in der damaligen Wirtschaftskrise hohen Arbeitslosigkeit bestand für ihn nach seiner Gesellenprüfung wenig Aussicht auf eine Anstellung in einem anderen Betrieb, so daß er als Stellmachergehilfe in der Werkstatt seines Vaters blieb.



Mit 31 Jahren wurde Heinrich Landwehr 1940 zur Wehrmacht eingezogen und geriet im Mai 1945, in den letzten Kriegstagen, in russische Gefangenschaft. 1947 wurde er wegen Krankheit entlassen und konnte nach Grönloh zurückkehren. Bis zum Tode seines Vaters am 12. August 1949 arbeitete Heinrich Landwehr weiter in der Stellmacherei, die er anschließend selbst weiterführte.



Aufgrund der zunehmenden Mechanisierung in der Landwirtschaft durch den Einsatz von Traktoren und der Verdrängung von Holz durch Metall als Werkstoff für landtechnisches Gerät verlor das Stellmacherhandwerk in der Nachkriegszeit zunehmend an Bedeutung. Heinrich Landwehr gab deshalb die gewerbliche Stellmacherei im Jahre 1951 auf und fand nach Aushilfstätigkeiten im Zimmereigewerbe eine Anstellung in der damals noch bestehenden Tischlereiabteilung der Firma Nosag in Quakenbrück. Nebenberuflich führte er noch bis ins hohe Alter in seiner Stellmacherwerkstatt Reparaturen an alten Ackerwagen und sämtlichem Holzgerät aus.



Am 1. Mai 1982 wurden Wohnhaus -und Werkstatt bei einem Brand völlig vernichtet. "Wagenmachers Heini", wie Heinrich Landwehr in Grönloh genannt wird, verbringt seitdem seinen Lebensabend auf dem Hof der Familie Diether Marbold in Grönloh.





Schuhmacher



Zu den Handwerkern, die sich zu Beginn dieses Jahrhunderts an der ehemaligen Holdorfer Landstraße ansiedelten, gehörte auch der Schuhmachermeister Heinrich Ortland. Er wurde am 19. April 1882 in Talge geboren. Nach dem Besuch der Volksschule begann Ortland im Jahre 1896 eine Lehre als Schuhmacher bei Meister Heinrich Kramer in Vehs. Nach der Gesellenprüfung arbeitete er 2 Jahre lang in dessen Werkstatt, leistete von 1902 bis 1904 seinen Wehrdienst ab und fand danach wieder Beschäftigung bei seinem alten Lehrherren.



Im Jahre 1906 nahm er eine Stellung in Hannover an und besuchte dort nebenher die Meisterschule des Schuhmacherhandwerks. Am 26. September 1907 legte Heinrich Ortland seine Meisterprüfung ab, kehrte ins Artland zurück und arbeitete als selbständiger Schuhmachermeister in seiner Werkstatt beim Hof Schierding in Wehdel.



1909 pachtete er von Georg Enders ein Grundstück von 2,5 Hektar, kultivierte es und errichtete ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit inliegender Werkstatt. Die Zimmerarbeiten wurden dabei von Heinrich Brickwehde ausgeführt. Der Kundenkreis des Schuhmachermeisters Ortland erstreckte sich in den Folgejahren neben Grönloh und Wehdel auf das gesamte Kirchspiel Badbergen. Aufgrund seiner fachlichen Leistungen hatte er 25 Jahre lang das Amt des Lehrlingsmeisters inne und wurde später zum Obermeister des Schuhmacherhandwerks ernannt.





Sein Schwager Gustav Weßling (* 22. März 1905), der jüngste Bruder von Ortlands Frau, trat am 1. Mai 1919 bei dem Grönloher Schuhmachermeister in die Lehre. Er legte am 3. April 1923 seine Gesellenprüfung ab und machte am 17. Dezember 1934 in Osnabrück seine Meisterprüfung.


Im Jahre 1936 verheiratete sich Gustav Weßling mit Mathilde Landmeyer, deren Vater Schneider in Badbergen war. 1939 wurde Sohn Günther geboren, der nach der mittleren Reife ebenfalls das Schuhmacherhandwerk in der Grönloher Werkstatt erlernte.


Schon Ende der 50er Jahre führte die zunehmende industrielle Schuhproduktion zueinem deutlichen Auftragsrückgang fürdie noch bestehenden handwerklichen Schuhmacherbetriebe. Günther Weßling nahm deshalb 1960 zunächst bei der Firma Risto, später beim Schuhhaus Holterhus in Quakenbrück eine Stellung als Schuhmacher an, wo er hauptsäch1ich r die Schuhreparatur zuständig war.

Am 21. Jan uar 1961 verstarb sein Vater Gustav Weßling, sieben Jahre später, am 26. Mai 1968, auch der Gründer der Grönloher Schuhmacherwerkstatt, Heinrich Ortland, im hohen Alter von 86 Jahren.

Mit dem frühen Tod von Günther Weßling, der für Nachbarn und Bekannte nebenberuflich weiterhin Schuhreparaturen in der alten Werkstatt ausführte, ging die Grönloher Schuhmachertradition im Jahre 1982 zu Ende. Die Werkstatt ist heute fast völlig aufgelöst, viele Teile des Inventars sind in der im Quakenbrücker Stadtmuseum aufgebauten historischen Schuhmacherwerkstatt zu besichtigen.





Quellenverzeichnis



Herbert Clauß

Hausinschriften des Kreises Bersenbrück, Mitteilungen des Kreisheimatbundes Bersenbrück e. V. (KHBB), Heft 17, 1973.



Diedrich Korfhage

Die Bauerschaft Grönloh, in: Mitteilungen des Kreisheimatbundes Bersenbrück e. V. (KHBB), Heft 6, 1957, S. 54 f.



Helmut Ottenjann

Zur Bau-, Wirtschafts- und Sozialstruktur des Artlandes im 18. und 19. Jahrhundert, Materialien zur Volkskultur nordwestliches Niedersachsen, Heft 1, 1979.



Hermann Rothert

Heimatbuch des Kreises Bersenbrück, Band 1 - Geschichte 3. Aufl., 1975, S. 53-72.



Hans Triphaus

Das Heuerlingswesen im Nordland des Altkreises Bersenbrück im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert, Schriftenreihe des Kreisheimatbundes Bersenbrück e. V. (KHBB), Nr. 19, 1981.



Als weitere Unterlagen wurden schriftliche Protokolle von Gesprächen mit folgenden Personen herangezogen:



Heinrich Landwehr, Grönloh

Walter Liere, Wehdel

Hans Netheler, Grönloh

Ella Tackenberg, geb. Geertz, Grönloh

Mathilde Weßling, geb. Landmeyer, Grönloh



Sämtliche Gespräche fanden im 4. Quartal 1989 statt.



Weiterhin wurde für diese Arbeit auf Daten verschiedener Familienbögen des von Walter Pohlsander angelegten genealogischen Archivs zurückgegriffen.