Grönloh in der Kriegs- und Nachkriegszeit
Werner Sickmann


Vorbemerkung


Die Bearbeitung dieser Thematik litt auf weiten Strecken darunter, daß die entsprechenden Akten des Landratsamtes Bersenbrück, das in jener Zeit die beherrschende Verwaltungsinstanz war, nicht zur Verfügung stehen. Trotz umfangreicher Recherchen vor Ort, im Staatsarchiv Osnabrück sowie bei beteiligten Personen waren diese nicht auffindbar- es muß - auch nach Meinung der Archivverwaltung - davon ausgegangen-werden, daß nach dem Zusammenbruch 1945 systematisch Akten vernichtet wurden, um spätere Nachforschungen zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Sicherlich sind dabei auch wichtige Dokumente vernichtet worden, die niemanden persönlich belastet hätten, wohl aber für den Historiker von großem Wert gewesen wären. So muß dieser Beitrag sich weitgehend auf Zeitungsberichte, den geringen Umfang verwendbarer Sekundärliteratur sowie auf die Befragung von Zeitzeugen stützen; auf Originalquellen (Akten der Gemeinde Grönloh sowie der Bezirksregierung Osnabrück) kann nur beschränkt zurückgegriffen werden. Die einzelnen Informationen der Zeitzeugen sind aus arbeitsökonomischen und - soweit es den Nationalsozialismus betrifft - auch aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht eigens gekennzeichnet, wohl aber ist darauf geachtet worden, einen annähernd repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zu berücksichtigen. Dieses war trotz der geringen Zahl jener Bürger, die diese Zeit noch bewußt erlebt haben, 1989 noch durchführbar.



Betrachtet man die Kriegszeit, so sollte das auf nationaler Ebene wie im lokalen Bereich, z.B. von Grönloh, nicht ohne Beachtung der Vorgeschichte geschehen. Wenn unter Historikern heute unstrittig ist, daß der 2. Weltkrieg seine Wurzeln auch im 1. Weltkrieg und seinen Auswirkungen hat, dann erscheint es auch von daher sinnvoll, an dieser Wendemarke anzuknüpfen.



Der Ausgang des 1. Weltkrieges brachte in der Folge für Deutschland das erste Mal ein Wahlrecht, das als wirklich demokratisch eingestuft werden kann. Das Preußische Dreiklassenwahlrecht war endgültig abgelöst; nicht die Steuerkraft des einzelnen entschied über seine Stimmenzahl, sondern jeder Bürger hatte das gleiche Stimmrecht, durfte nur eine Stimme abgeben. Das führte auch in Grönloh dazu, daß die Heuerleute und die auf den Höfen tätigen Mägde und Knechte eine größere Teilhabe am politischen Leben erreichten. Schon zu Beginn der Weimarer Republik gab es - gestützt durch das Gewicht der SPD in den Reichsregierungen - starke Bestrebungen zu einer Bodenreform.



Diese Ideen fielen auch bei den Heuerleuten in hiesiger Gegend auf fruchtbaren Boden. Durch das Beharren der Bauern, als Organisation verteten durch den Reichslandbund, auf den bisherigen Verhältnissen kam es zu einer Polarisierung der politischen Auffassung. Das führte gerade auch in Grönloh zu Spannungen vielfältigster Art.



Ausdruck dieser Entwicklung ist auch das Wahlverhalten. Hatte die SPD bei den ersten Wahlen für die Weimarer Nationalversammlung im Jahr 1919 in Grönloh erst 18,2 % erreicht (Wehdel und Grönloh = 1 Stimmbezirk), so waren es bereits 1924 stolze 49,7 %. Nach einem dramatischen Einbruch bei der Reichstagswahl 1928 kam die SPD 1930 wieder auf 30,9 %, um dann bis zur letzten freien Wahl von 1933 schrittweise auf 18,4 % zu sinken.



Auffallend ist die Entwicklung der NSDAP in Grönloh: Als sie sich 1924 erstmalig zur Wahl stellte, erreichte sie 10,8 %, 1930 bereits 43,5 %, 1932 waren es schon 63,6 % und wenig später, bei der 2. Reichstagswahl dieses Jahres, waren es stattliche 71,2 %.



Bei der vorläufig letzten Wahl im Frühjahr 1933 ging der Anteil für die Nationalsozialisten nur geringfügig zurück. Analog dazu verloren die bürgerlichen Parteien, aber auch die SPD erheblich an Boden. Letztere erreichte nur noch 18,4 % der Stimmen im Jahr 1933! - Ähnlich eindeutig war das Ergebnis bei der Reichspräsidentenwahl im Jahr 1932, fast zwei Drittel der Grönloher gaben Hitler ihre Stimme.



Leider muß festgestellt werden, daß der Nationalsozialismus in Grönloh bei allen Bevölkerungsschichten eine breite Zustimmung fand. Hier gab es Voten für die NSDAP, die nur in wenigen Orten annähernd erreicht bzw. noch geringfügig übertroffen wurden. Bei der bereits erwähnten Reichspräsidentenwahl wurden die Spitzenergebnisse in Grönloh im Gebiet des Kreises Bersenbrück nur durch Gehrde und Rüsfort minimal überboten. Zum Vergleich: In Quakenbrück etwa ein Viertel und in Badbergen etwa die Hälfte der Stimmen für den Kandidaten der NSDAP!





Die Wahlergebnisse in Grönloh 1924-1933

(Quelle: Norbert Wefer, Der Aufstieg der NSDAP im Kreis Bersenbrück Wahlen und Analysen 1919-1933, Selbstverlag des Verf. 1986)



Die Reichstagswahlen von 1924



1. Reichstagswahl von 1924 I

2. Reichstagswahl von 1924 II Region.- Nord










Parteien






abgeg.












Ort

gült.



NSDAP

SPD

KPD

Zen­trum

DNVP

DVP

DDP

DHP

Sonst


Stimm.












Grönloh


I

%

10,8

49,7

-

0,9

26,2

3,6

7,2

0,4

0,9


221


abs

24

110

-

2

58

8

16

1

2



II

%

11,3

45,9

-

2,3

23,2

7,1

9,9

-

-


211


abs

24

97

-

5

49

15

21

-

-



Reichstagswahl von 1928
Die Zahlen unter „Z/A“ (Zunahmen/Abnahmen)geben die Veränderungen zur vorherigen Reichstagswahl in % an
Region: Nord

Ort

Abg. Gült Stimm


Parteien




NSDAP

SPD

KPD

Zentr.

DNVP

DVP

DDP

DHP

Sonst.

Grönloh

234

%

4,7

19,7

-

1,3

11,5

5,1

3,4

--

-54,2



abs.

11

46

-

3

27

12

8

-

127



Z/A

-6,6

-26,2

-

-1

-11,7

-2

-6,5

-

53,9



Reichstagswahl von 1930

Ort

Abg. Gült Stimm


Parteien


NSDAP

SPD

KPD

Zentr.

DNVP

DVP

Deut­sche Staats­par­tei eh. DDP

DHP

Sonst.

Grönloh

207

%

43,5

30,9

-

2,4

10,6

1

2,4

0,5

8,2


abs.

90

64


5

22

2

5

1

18

Z/A

38,8

11,2

-

0,9

-0,9

-4,1

-1

0,5

-46,1



1. Reichstagswahl von 1932

Ort

Abg. Gült Stimm


Parteien


NSDAP

SPD

KPD

Zentr.

DNVP

DVP

Deut­sche Staats­par­tei eh. DDP

DHP

Sonst.

Grönloh

222

%

71,2

20,7

0,5

1,4

5

-

1,4

-

-


abs.

158

46

1

3

11

-

3

-

-

Z/A

27,7

-10,2

0,5

-1

-5,6

-1

-1

-0,5

-8,2



2. Reichtagswahl von 1932

Ort

Abg. Gült Stimm


Parteien


NSDAP

SPD

KPD

Zentr.

DNVP

DVP

Deut­sche Staats­par­tei eh. DDP

DHP

Sonst.

Grönloh

217

%

63,6

24,9

1,8

0,9

6,4

0,9

0,5

-

0,9


abs.

138

54

4

2

14

2

1

-

2

Z/A

-7,6

4,2

1,3

-0,5

1,4

0,9

-0,9

-

0,9



Reichstagswahl von 1933

Ort

Abg. Gült Stimm


Parteien


NSDAP

SPD

KPD

Zentr.

DNVP

DVP

Deut­sche Staats­par­tei eh. DDP

DHP

Sonst.

Grönloh

239

%

69,9

18,4

2,1

1,3

6,3

0,4

1,7

-

-


abs.

167

44

5

3

15

1

4

-

-

Z/A

6,3

-6,5

0,3

0,4

-0,1

-0,5

1,2

-

-0,9



1.und 2. Reichspräsidentenwahl von 1932

Region: Nord


Ort

abgeg
gült.
Stimm

Kandidaten (Angabe in%)

Due­ster­berg

Hin­den­burg

Hitler

Thäl­mann


Grön­loh

1

233

2,6

28,8

63,5

5,1



2

239


32,6

65,3

2,1



Auffallend ist die Entwicklung der NSDAP in Grönloh: Als sie sich 1924 erstmalig zur Wahl stellte, erreichte sie 10, 8 %, 1930 bereits 43,5 %, 1932 waren es schon 63,6 % und wenig später, bei der 2. Reichstagswahl dieses Jahres, waren es stattliche 71,2 %. Bei der vorläufig letzten Wahl im Frühjahr 1933 ging der Anteil für die Nationalsozialisten nur geringfügig zurück. Analog dazu verloren die bürgerlichen Parteien, aber auch die SPD erheblich an Boden. Letztere erreichte nur noch 18,4 % der Stimmen im Jahr 1933! Ähnlich eindeutig war das Ergebnis bei der Reichspräsidentenwahl im Jahr 1932, fast zwei Drittel der Grönloher gaben Hitler ihre Stimme.



Leider muß festgestellt werden, daß der Nationalsozialismus in Grönloh bei allen Bevölkerungsschichten eine breite Zustimmung fand. Hier gab es Voten für die NSDAP, die nur in wenigen Orten annähernd erreicht bzw. noch geringfügig übertroffen wurden. Bei der bereits erwähnten Reichspräsidentenwahl wurden die Spitzenergebnisse in Grönloh im Gebiet des Kreises Bersenbrück nur durch Gehrde und Rüsfort minimal überboten. Zum Vergleich: In Quakenbrück wählte etwa ein Viertel und in Badbergen etwa die Hälfte den Kandidaten der NSDAP!



Hatten 1932 und 1933 mindestens ein Teil der sonst sozialdemokratisch orientierten Heuerleute die NSDAP gewählt, so sollte sich nach der Machtergreifung schon recht bald zeigen, wie nun die SPD und die ihr nahestehenden Organisationen (z.B. der Heuerleuteverein und die Freie Landjugend) durch amtliche Verfügung verboten bzw. aufgelöst wurden. Ein Beteiligter aus Grönloh:

"Nach 1933 waren wir SPD-Leute nichts wert!“



Es war in dem überschaubaren Raum einer kleinen Landgemeinde eine schlimme Situation entstanden: Jeder kannte jeden und wußte, welche politische Grundüberzeugung jemand vertrat. Insbesondere die ehemaligen Sozialdemokraten, die sich nun überwiegend im Roten Kreuz als Tarnorganisation eine neue politische Heimat suchten, fürchteten sich vor den ortsansässigen Funktionsträgern der NSDAP, deren Fanatismus noch heute lebhaft in Erinnerung ist. Wörtlich heißt es: "Vor der... bzw. dem ... hatten wir höllische Angst, da wagte niemand etwas." In einem Fall soll eine Person nach Kriegsbeginn in Zusammenhang mit dem Delikt "Schwarzschlachten" durch denunzierende Äußerungen eines NS Funktionsträgers in Haft gekommen sein, aus der sie erst nach vielen Wochen freikam. In dieser von Mißtrauen erfüllten Zeit festigte der NS-Staat zunehmend seine Macht und wappnete sich für den schon lange geplanten Krieg.



Auch die Einwohner des Kreises Bersenbrück wurden neben den Meldungen im "Großdeutschen Rundfunk" am 1. September 1939 durch das gleichgeschaltete Bersenbrücker Kreisblatt mit der Schlagzeile konfrontiert: "Deutschland nimmt den ihm von Polen aufgezwungenen Kampf auf!" Daß dieses der Auftakt für einen Krieg sein würde, der auch die Grönloher Bürger hart treffen sollte, das ahnte damals wohl noch niemand. Weithin glaubte man, daß es sich nur um begrenzte Konflikte handelte, die nach Gutdünken des Führers, d.h. nach Erfüllung territorialer Forderungen, wieder gestoppt werden könnten. Wie schnell aber eine weltweite Kriegsmaschinerie in Gang gesetzt war, sollte sich schon bald zeigen. Heute weiß man, daß durch die vielen Einberufungsbefehle zu einer "kurzfristigen Übung", die im Juli und August 1939 auch in mehrere Grönloher Häuser flatterten, der Schritt in den Krieg faktisch schon vorbereitet wurde. Im Kreisamt in Bersenbrück - wie natürlich in anderen Behörden auf Kreis-, Bezirks- und Gauebene auch - stapelten sich schon seit August die Formulare, die mit Kriegssondergesetzen, Ausführungsbestimmungen und Richtlinien versehen waren, Lebensmittelkarten und Bezugsscheine lagen ausgabebereit. Es steht heute außer Frage, daß die auf den Krieg und seine besonderen Erfordernisse getrimmte Wirtschaft genauestens verplant war (leider sind die entsprechenden Akten nicht greifbar; vgl. Vorbemerkung).



Schon am 27. August gab man im Bersenbrücker Kreisblatt die Einführung der Bezugsscheinpflicht bekannt. Bereits zwei Tage später, am 29. August, ergingen Verordnungen zur luftschutzmäßigen Verdunklung von Straßen, Häusern und Kraftfahrzeugen; letztere zwei Punkte betrafen auch Streusiedlungen ohne Ortskern, wie z. B. Grönloh. Besonders hart getroffen wurden diejenigen, die schon einen privaten PKW besaßen und diesen bereits kurz nach Kriegsbeginn abgeben mußten, wenn sie keine öffentlichen Funktionen (z.B. Ortsbauernführer, Arzt, Polizist, Mitglied der Pferdeaushebungskommission oder dgl.) ausübten. Daneben sahen sich die landwirtschaftlichen Betriebe mit der "Pferdeaushebung" konfrontiert, d.h. jeder Hof mußte, gestaffelt nach Größe und Pferdezahl, "kriegstaugliche" Pferde abgeben. Zu diesem Zweck kam eine entsprechende Kommission auf die Höfe, die - so wurde von vielen beklagt - die besten Tiere requirierte, schließlich hatten die Interessen des kriegsführenden Staates absoluten Vorrang vor allen privaten Erwägungen. Dieses mußte gerade die Züchterbetriebe hart treffen, denen so unter Umständen alte Zuchtstämme zerstört wurden. - Es ist nachzuvollziehen, daß bei dieser Abgabepflicht von Seiten der Behörden anders verfahren werden mußte als bei der Ablieferung von Getreide oder Schlachtvieh, denn der dem Pferd emotional besonders verbundene hiesige Bauer hätte aus freien Stücken sicher nicht die besten Pferde abgegeben.



Nachdem in den ersten Monaten bereits der größte Teil der wehrfähigen männlichen Bevölkerung eingezogen war, stellte sich das Problem der Bewirtschaftung der Höfe, die zudem noch erhebliche Abgabeverpflichtungen zu erfüllen hatten. Auf vielen Höfen waren junge Frauen allein, teilweise noch unterstützt von Altenteilern, die nur bedingt noch arbeitsfähig waren. Von den Heuerleuten war oft nur noch wenig Hilfe zu erwarten, weil auch hier die jungen Männer fehlten. Von Seiten des Staates war vorgesehen, die in Landwirtschaft und Gewerbe tätigen männlichen Arbeitskräfte durch zwangsweise deportierte Kriegsgefangene zu ersetzen. Schon im Herbst 1939 kamen die ersten Polen in den Kreis Bersenbrück, wann die ersten nach Grönloh kamen, ist nicht genau mehr feststellbar. Es ist aber belegt, daß bereits im Sommer 1940 fast auf jedem Hof 2-4 Fremdarbeiter tätig waren, und zwar analog zur Expansionspolitik der NS-Führung Polen, Belgier, Franzosen und Russen. Dabei waren dieses Menschen unterschiedlichster Herkunft und Ausbildung, die hier in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. So mußte beispielsweise ein Bibliothekar aus Paris, dem Landleben und erst recht Landarbeit völlig fremd waren, in Grönloh sein Dasein fristen. Neben ihm auf demselben Hof arbeitete ein russisches Ehepaar, dessen Tochter nach wenigen Monaten hier das Licht der Welt erblickte. Ein solches erzwungenes Miteinander. von Menschen läßt sich vielfach belegen. Es bedarf keiner besonderen Phantasie, daß es angesichts dieser Umstände, wenn so unterschiedliche Menschen miteinander arbeiten und zudem auf oft engstem Raum leben mußten, zu Reibereien kam, die vereinzelt sogar von der Polizei geschlichtet werden mußten.



In den Polizeiakten der Bezirksregierung Osnabrück finden sich detaillierte Aufzeichnungen, wie mit den Zwangsarbeitern im Deutschen Reich zu verfahren ist. Dieses ist sicher ein sehr dunkles Kapitel der Geschichte, zeigt sich doch in fast jedem Schriftstück der total menschenverachtende Charakter der NS-Führung. Alle Verfügungen haben den berüchtigten Runderlaß des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, vom 23.12.1939 als Grundlage. Vor Ort wurden die Zwangsarbeiter vom jeweiligen Ortsbauernführer eingeteilt; dieser hatte auch darüber zu wachen, daß die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden. So durften die Kriegsgefangenen nicht am Tische der Familie Platz nehmen, sondern mußten an einem separaten Tisch beköstigt werden. Diese Anordnung wurde sogar staatlich überprüft. Auf mehreren Höfen sollen - so die Zeitzeugen - die Gefangenen aber mit der Familie gegessen haben. Der geforderte Tisch stand aber regelmäßig bereit, um nicht selbst belangt zu werden. Eine weitere Anordnung für Polen, ein mit der Kleidung fest verbundenes Abzeichen (ähnlich dem sogen. Judenstern) zu tragen, scheint in Grönloh nicht befolgt worden zu sein. -



Die Polizeiorgane waren angewiesen, den landwirtschaftlichen Betriebsführern jede nur erdenkliche Hilfe zu leisten, wenn "Arbeitsverweigerung und Aufsässigkeiten zu beklagen waren." In den Akten werden die Zwangsarbeiter oft beschönigend als "Landhelfer" bezeichnet, allerdings durften sie kein Fahrrad besitzen, kein Radio hören, öffentliche Verkehrsmittel nur benutzen, wenn es ihrer Beschäftigung diente", daneben haben sie keinen Anspruch auf pflegliche Behandlung ..., denn der Pole ist und bleibt unser Feind und muß als solcher behandelt werden" Überhaupt werden die Polen gegenüber Franzosen und Belgiern deutlich negativer dargestellt.



Trotz aller staatlichen Verbote ist es aber in Grönloh hier und da zu sehr persönlichen Beziehungen zwischen Frerndarbeitern und der deutschen Bevölkerung gekommen, obwohl das bei schärfster Strafandrohung verboten war! - Eine Bürgerin berichtet, daß sie und ihre Familie so großes Vertrauen in "ihren Polen“ setzten, daß sie ihn beauftragten, ihre Gold- und Silbersachen im Frühjahr 1945 zu vergraben. Alles habe sie so wohlbehalten über die Zeiten gerettet. Ganz anders war es einige Häuser weiter: Hier wurde eine Bäuerin als "Kabustante" bezeichnet, weil die Gefangenen bei ihr wochenlang fast nur den so genannten Weißkohleintopf erhielten und auch sonst nicht sehr gut behandelt wurden.



Die Kriegsgefangenen waren anfänglich in Lagern untergebracht und kamen täglich unter Bewachung zu ihren Arbeitsstellen, später erfolgte auch Einzelunterbringung beim jeweiligen Arbeitgeber unter bestimmten Auflagen.



Mit Fortgang des Krieges, ab Mitte 1940 etwa, wurden die lenkenden und einschränkenden Gesetze, Verordnungen und Richtlinien immer lückenloser. Die landwirtschaftlichen Betriebe in Grönloh betraf das in erster Linie durch dauernde und scharfe Kontrollen von Fruchtanbau, Ernteertrag und Viehhaltung; die von den Bauern zu leistenden Ablieferungen an Naturalien wurden präzise festgelegt. Ebenso war es mit der Zuteilung sowie dem Verbrauch von Waren und Materialien. Es ist nicht verwunderlich, daß in dieser Zeit das ungesetzliche Schlachten von Vieh sowie die ebenfalls verbotene Desti1lation von Alkohol einsetzte, die sich später, besonders nach Ende des Krieges, noch erheblich steigerte.



Vom Frühjahr 1940 an gab es eine weitere Belastung der Bevölkerung durch die Aufnahme der großen Zahl von "Rückgeführten", wie im Amtsdeutsch jener Jahre diejenigen genannt wurden, die an Rhein und Ruhr ausgebombt waren und oft ihre gesamte Habe verloren hatten. Die Luftangriffe der Alliierten zielten schon sehr früh auf die Wirtschaftszentren in diesem Raum.



Wenn all diese Einschränkungen - sicher auch angesichts der Repressionen des Staates - noch relativ gelassen hingenommen wurden, so sollte sich das Stimmungsbild ändern, als die Nachricht eintraf, daß die ersten Soldaten gefallen waren. Die lange Liste der Gefallenen bzw. im Kriege Verschollenen zeigt, daß der Blutzoll der Bürger innerhalb von sechs Jahren Krieg sehr hoch war. Fast jede Familie hatte den Verlust eines oder gar mehrerer Angehöriger zu beklagen. Im Extremfall führte es dazu, daß ein Ehepaar seiner drei bereits erwachsenen Söhne beraubt wurde, was später zum Erlöschen der Familie führte. Es ist wohl nicht in Worten auszudrücken, was das für die Betroffenen bedeutete.



Diejenigen, die Angehörige an der Front hatten, lebten in dauernder Sorge um ihre Unversehrtheit und Heimkehr. Viele Hoffnungen von Einheimischen bzw. Flüchtlingen wurden bitter enttäuscht. Wenn das Schlimmstmögliche eingetreten war, erfolgte die Benachrichtigung in recht bürokratischer und nicht eben schonender Form. Es gab im Regelfall lediglich eine kurze Mitteilung durch die Post (!), meistens durch den Kompanieführer, versehen mit wenigen Worten der Kondolenz sowie dem Hinweis, "daß er für den Führer und Großdeutschland gefallen sei." - Von älteren Gemeindemitgliedern wurde noch auf die Praxis aus dem ersten Weltkrieg hingewiesen. Damals war die Mitteilung über den Kriegstod eines Soldaten zunächst an den zuständigen Gemeindepfarrer gegeben worden, dem es oblag, den Angehörigen die schmerzliche Nachricht zu überbringen. Es wird - auch aus Grönloh! - berichtet, daß die Menschen bereits beim Anblick bzw. Herannahen des Pfarrers mit schier unbeschreiblichem Entsetzen reagierten. Bei den kriegsbedingten Trauerfällen erschien dann nach wenigen Tagen die auch sonst übliche Todesanzeige in der lokalen Zeitung. Beim Betrachten der Anzeigen fällt aber auf, daß neben dem verbalen Ausdruck von Schmerz und Trauer auch einige dadurch auffallen, daß besondere Ergebenheitsbekundungen gegenüber Führer, Partei und Großdeutschland erfolgen. In diesen Fällen findet sich dann auch im Anzeigentext folgende Schlußformulierung:

"Mit uns trauert die NSDAP-Ortsgruppe Wehdel-Grönloh."



Befragt man die Zeitzeugen, wann die ersten Zweifel an Hitler und der Gewinnbarkeit des Krieges auftauchten, so werden bereits die Jahre 1941/42 genannt. Wie aber bereits erwähnt, war die Angst vor den Parteigrößen so groß, daß man sich nicht offen zu äußern wagte. Als die Klage über gefallene Ehemänner, Söhne, Verwandte und Freunde aber dennoch größer und auch einmal offen ausgesprochen wurde, äußerte sich eine dem NS-Regime treu ergebene Frau wie folgt:"Ich würde gerne meine Söhne für Adolf Hitler geben!" Diese schier unfaßbare Aussage ist aber mehrfach belegt! Später sind dann die betreffenden Söhne im Krieg gefallen, und nach Kriegsende hat - so ein damaliges Mitglied der Kommission wörtlich im Jahre 1989 - der Vater vor dem Entnazifizierungsausschuß offen bekannt: "Wir haben unsere Söhne gern für A. Hitler gegeben!" - Dieser Fanatismus sprengt fürwahr die Vorstellung eines normal empfindenden Menschen, dem noch eine Spur von Humanität geblieben ist.



Wenn auch Grönloh von direkten Kriegshandlungen verschont blieb, so gab es doch eine Reihe von Bombenabwürfen und kriegsbedingten Zerstörungen. Am 21. Juli 1940 stürzte über Grönloh erstmalig ein von der Flak getroffenes Jagdflugzeug ab, dessen Pilot ums Leben kam. Im Dezember 1940 und Juni 1941 wurden vereinzelt Spreng- und Brandbomben abgeworfen, die aber keinen größeren Gebäude- oder Flurschaden anrichteten; dabei handelte es sich offensichtlich um Maschinen, die beim Anflug auf Bremen von der Abwehr abgedrängt wurden und nun auf dem Rückflug ihre Bombenlast abwarfen. Kurz vor Weihnachten 1943 stürzte wiederum ein deutsches Jagdflugzeug ab, der Pilot kam ums Leben. Eine Augenzeugin, die gerade beim Ziehen von Stoppelrüben war, erlitt einen Schock.



In besonderer Erinnerung blieb der Absturz eines amerikanischen Jagdflugzeugs vom Typ "Mustang“ am 26. November 1944 westlich des Hofes Heinrich Middelkampf. Nach über 40 Jahren gelang es mit Hilfe einer privaten Interessengemeinschaft aus Wardenburg bei Oldenburg, die sich die Aufklärung seinerzeit nicht oder nur wenig untersuchter Flugzeugabstürze zum Ziel setzt, den überlebenden Piloten ausfindig zu machen. Er lebt heute als Ruheständler in Phönix/Arizona. Mit seiner Hilfe und durch Unterlagen eines amerikanischen Archivs konnte die damalige Situation weitgehend rekonstruiert werden: Das Flugzeug war im Anflug auf Magdeburg und geriet über dem Dümmer-See in einen Luftkampf. Plötzlich merkte der Pilot, daß seine Maschine nicht mehr steuerbar war. Ihm ist nach eigenem Bekunden bis heute unklar, ob unversehens auftretende technische Mängel oder der Beschuß durch deutsche Jäger zu dieser Situation führten. Es gelang dem Flugzeugführer aber, aus der orientierungslos fliegenden Maschine auszusteigen, nachdem mit manueller Kraft das Kabinendach abgeworfen war. Er landete via Fallschirm in der Nähe des Hofes Zumbrägel an der Grenze zu Bünne, während die Maschine führerlos in etwa zwei Kilometer Entfernung niederging und sich 6 bis 8 Meter tief in den Boden bohrte. - In den Jahren 1950/51 ist der Motor des Fliegers von ortsansässigen jungen Leuten geborgen worden, die mit dem Schrottverkauf ihre schwachen Finanzen aufbesserten.



Am 20.3.1945 gegen 18.00 Uhr brannte ein zum Hof Heinrich Middelkampf gehörendes Doppelheuerhaus im sogenannten "Escheding" ab. Das im Osten von Grönloh an der Langweger Grenze gelegene Haus wurde von den Familien von Heine und Bockstiegel bewohnt. Am späten Nachmittag dieses Tages - so berichten Zeugen, die mit der Frühjahrsbestellung beschäftigt waren - herrschte eine starke Flugtätigkeit. Ein offenbar von Alliierten in Brand geschossener deutscher Jäger stürzte plötzlich nieder und schlug bereits als glühender Feuerball unmittelbar vor dem Haus auf Der böige Frühlingswind ließ die Flammen sofort auf das Haus übergreifen, so daß auf der Hausseite, die von der Familie v. Heine bewohnt wurde, nur wenig Hausrat gerettet werden konnte. Das in den Ställen befindliche Vieh erstickte auf Grund der starken Rauchentwicklung, noch bevor Rettung möglich war. - Die fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche des Piloten konnte identifiziert werden; der junge Flieger war - wie man im nachhinein erkannte - ein Verwandter einer seinerzeit in Grönloh ansässigen Familie.



Als sich 1945 der Krieg auch im hiesigen Raum dem Ende näherte, wurde Grönloh im Bereich der B214 mehrfach von rückziehenden Soldaten gestreift. Obwohl niemand mehr ernstlich an Sieg und Überleben des Regimes glauben konnte, wurde auf der Diele des Gasthofes Flüßmeyer, wo ca. 100 Soldaten übernachteten, noch eine große Auszeichnung und Beförderung arrangiert.



Der Kreis Bersenbrück war am 11.4.1945 von den Engländern endgültig unter ihre Kontrolle gebracht. Am 13.4. wurde bereits eine "Militärregierung für den Kreis Bersenbrück" gebildet.



Eine der ersten Aufgaben der Alliierten bestand darin, ihre Kriegsgefangenen in die Heimat zu bringen. Dagegen blieben Russen und Polen zurück, die mit den Soldaten der polnischen Besatzungstruppe eng kollaborierten. Im Juni 1945 hatte eine unter englischem Oberbefehl stehende polnische Emigrantentruppe die Besatzungsaufgaben im Kreis übernommen. Damit begann eine wahre Schreckensherrschaft, überall zogen sie schwer bewaffnet umher, raubten und plünderten.



Die deutsche Polizei war - da zu dem Zeitpunkt ohne Waffen - dagegen machtlos. Die Engländer kümmerten sich praktisch nicht um die Taten ihrer Bundesgenossen. Sie veranlaßten aber mit polnischer Unterstützung schnell die Gefangennahme der ehemaligen Parteigenossen, die auf lokaler Ebene höhere Ränge innehatten. Einbrüche und Räubereien mehrten sich auch in Grönloh, lange Zeit bestand ein Ausgehverbot während der Abend- und Nachtstunden. Ein älterer Mann, der - so deutsche Zeitzeugen! - die polnischen Zwangsarbeiter schlecht behandelte, wurde bei einem Überfall so zusammengeschlagen, daß er an den Verletzungen starb. Sein Sohn, Funktionsträger bei der NSDAP, kam nun ins alliierte Gefangenenlager, wo er sich erhängte. - Überhaupt sind mehrere Angehörige der Ortsgruppe Wehdel-Grönloh über Monate im britischen Lager Westertimke bei Verden gewesen!



Erst gegen Herbst 1945 trat eine gewisse Besserung der chaotischen Verhältnisse ein, nachdem die Engländer zunehmend ihre Besatzungsaufgaben selbst erfüllten. Doch blieb die polnische Division Anders bis 1947 bestehen. Zum Abschluß dieses traurigen Kapitels sei auch noch ein Positivum berichtet: Als eine Bäuerin ihre Angst vor den nun befreiten Polen gegenüber der noch bei ihr verbliebenen Zwangsarbeiterin äußerte, sagte diese: "Du gut, Euch passiert nichts, ich ja hier!“ Als dann wirklich einige Tage später Polen auf den Hof kamen, wurde die Polin nach draußen geschickt. Sie sprach mit ihren Landsleuten, die dann Kleidung und Nahrungsmittel verlangten. Als ihnen dieses gegeben wurde, verschwanden sie sehr schnell und nichts passierte!



Als sich gegen Ende des Jahres 1945 die Herrschaft der Engländer zunehmend durchsetzte, entwickelten sich langsam auch wieder gewisse Ordnungsgrundsätze. Zu dem menschlichen Leid, das so viele betroffen hatte, kam nun noch die sich steigernde materielle Not. Die Rationen, die man auf seine Lebensmittelkarten erhielt, wurden immer geringer oder waren überhaupt nicht mehr zu erhalten. In diese Situation kamen die ab Anfang 1946 eintreffenden Flüchtlinge und Vertriebenen. Die Häuser waren ohnehin schon zum Bersten voll: Zwangsarbeiter polnischer und russischer Herkunft, Ausgebombte bzw. Evakuierte, Verwandte aus Städten sowie sogenannte B-Soldaten, die nicht in ihre nunmehr besetzte Heimat zurückkonnten, hatten schon jeden bewohnbaren Quadratmeter belegt. Und nun mußten diese Menschen untergebracht werden, die zumeist in erbärmlichem Zustand eintrafen. Die wenn auch notdürftige Unterbringung war eine unlösbar erscheinende Aufgabe! Die zuströmenden Menschen kamen - zumeist in Viehwaggons der Bahn - bis Bersenbrück bzw. Badbergen. Auf dem Marktplatz in Badbergen fand die erste Einteilung statt, für Wehdel und Grönloh fand die Verteilung bei Mestemacher statt. Dort mußte der Bürgermeister für ihre Unterbringung sorgen und den dafür notwendigen Wohnraum notfalls beschlagnahmen, wenn eine gütliche Einigung nicht möglich war.



Wehdel und Grönloh (seit 1944 eine Verwaltungseinheit!) wurden von Heinrich Boske-Mustermann als Bürgermeister geleitet. Nach der Kommunalwahl vom 15.9.46 wurde Gustav von der Heide am 23.9.46 in Anwesenheit des Kommandanten der britischen Militärregierung zum neuen Bürgermeister der Samtgemeinde Wehdel-Grönloh gewählt. Er sieht heute rückblickend die Wohnraumbeschaffung als die mit Abstand schwierigste Aufgabe seiner Amtszeit. In aller Eile mußten Notunterkünfte in Speichern, Hühnerställen usw. hergerichtet werden, Material gab es kaum. Das Elend war riesengroß, und doch war man froh, wenigstens überlebt zu haben, wenn man auch zum Teil fror, zu dritt in einem Bett schlief, kümmerliche Kleidung trug, aber doch nicht verhungerte, wenn auch von einer nur annähernd angemessenen Ernährung nicht die Rede sein konnte.



Daß auch angesichts dieser Umstände Spannungen im menschlichen Bereich vorkamen, ist verständlich, doch entwickelte sich trotz der widrigen Verhältnisse teilweise auch ein positives Miteinander. Davon zeugen auch die zum Teil heute noch bestehenden Beziehungen!



Nach Wehdel und Grönloh kamen drei Hauptströme im April und Mai 1946, überwiegend aus Schlesien. Die Bewohner des Dorfes Bärwalde, Kreis Frankenstein, kamen fast geschlossen nach hier und wurden, wenn auch nur vorübergehend, im Kirchspiel Badbergen ansässig. Noch heute findet alljährlich ein Treffen dieser Vertriebenengruppe in Badbergen statt.



Bis zur Jahreswende 1946/47 stieg die Zahl der Flüchtlinge insgesamt noch an; eine genaue Zahl anzugeben ist schwer, da ein dauernder Austausch stattfand und sich die Zahl dadurch täglich veränderte. Es kann aber gesagt werden, daß sich die Bevölkerungszahl 1946 um mehr als das Doppelte auf ca. 700 erhöhte. Wer seine Familie oder andere Angehörige wiederfand, begab sich dort hin, andere zogen aus gleichen Gründen nach Grönloh zu. Es war ein Kommen und Gehen, das Rote Kreuz und mehrere andere Organisationen bemühten sich um Familienzusammenführung. Und immer wieder trat das größte Problem jener Tage deutlich ins Bewußtsein: Die Wohnungsnot! Vom Kreis Bersenbrück als Aufsichtsbehörde wurde ein Kreisflüchtlingsbetreuer bestimmt, der mit den örtlichen Flüchtlingsbetreuern zusammenarbeitete. In jeder Gemeinde wurde ein Wohnungsausschuß gebildet, der aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen mußte-, der örtliche Flüchtlingsbetreuer war grundsätzlich Mitglied, der Bürgermeister sollte nun (ab Juni 1946) nicht mehr dieser Organisation angehören, um eine unabhängige Stellung zu wahren. (Wie schwierig die Position des Bürgermeisters war, siehe Aussage von G. Von der Heide). Die Beschlüsse der Wohnungskommission waren bindend, die Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen, zog Verurteilung durch die Militärregierung nach sich. Soweit feststellbar, ist es aber in Grönloh nicht dazu gekommen.



Die einzelnen Quartiergeber waren verpflichtet, die Räume zu möblieren. Auch in diesem Punkt war sonst eine Beschlagnahme von Einrichtungsgegenständen möglich. Im Laufe des Spätsommers 1946 gab es Bemühungen des Kreisamtes zur Beschaffung von Öfen für den bevorstehenden Winter; Wehdel und Grönloh bekamen jeweils zwei Öfen! Das konnte wahrlich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein. Wer sie erhielt bzw. nach welchen Kriterien man dabei vorging, ist nicht mehr nachvollziehbar. Selbstverständlich durfte pro Wohneinheit nur ein Wohnraum, der allerdings in den meisten Fällen auch Schlafraum war, beheizt werden. Die Beschaffung von Heizmaterial wurde durch vermehrten Holzeinschlag gelöst, Kohlen waren fast gar nicht zu bekommen. Da aber die beiden Nachkriegswinter für hiesige Verhältnisse ausgesprochen schneereich und kalt waren, ergaben sich dennoch schwierige Situationen.



Überhaupt war die Beschaffung von Dingen des täglichen Bedarfs, insbesondere von Kleidung, besonders für den Winter, sehr schwierig.



Mehrere Sammlungen wurden von Seiten der Gemeinde Grönloh initiiert, großenteils half man sich in dieser Hinsicht auch in den Häusern untereinander.



Viele der Flüchtlinge und Vertriebenen arbeiteten zunächst in der Land- und Hauswirtschaft der Höfe gegen Kost und Wohnung, streckten aber schon bald die Fühler nach einer Tätigkeit in Handwerk und Gewerbe, vorzugsweise im ehedem ausgeübten Beruf, aus. Da in Grönloh bzw. in erreichbarer Nähe entsprechende Tätigkeiten nur schwer zu finden waren, kam es schon bald zu einer Abwanderung der eben zugewanderten Flüchtlinge. Nur weniger als die Hälfte blieb in Grönloh bzw. im Kirchspielsdorf Badbergen, heiratete hier, wurde endgültig seßhaft und erwarb zum Teil Wohneigentum in den neu entstehenden Siedlungen.



Diese Betrachtungen zum Leben in Grönloh während der Kriegs- und Nachkriegszeit sollen nicht beendet werden, ohne noch drei Phänomene zu beleuchten, die für die junge Generation schwer vorstellbar sind. Dabei handelt es sich um das "Hamstern", das "Schwarzschlachten" und das "Schwarzbrennen". Diese Erscheinungen ergaben sich aus der Kontingentierung fast aller Waren, weil man diese für irgendwie kriegsrelevant hielt.



Unter dem "Hamstern" ist der Tauschhandel zu verstehen, z.B. Schmuck, aber auch andere Sachwerte gegen Lebensmittel. So versuchte die Stadtbevölkerung ihre Ernährungsbasis zu verbessern. Auch bis Grönloh kamen sogenannte Hamsterer, wenngleich Ortschaften, die in relativer Nähe von Bahnhöfen lagen, stärker frequentiert wurden, da die "Hamsterer" meistens per Bahn anreisten. Wenn dort aber alles abgegrast war, verschlug es sie auch bis Grönloh.



Da die landwirtschaftliche Erzeugung einer scharfen Kontrolle unterlag, führte das bei vielen Betroffenen zu der Überlegung, wie man hier Abhilfe schaffen könne. So wurden oft in abgelegenen Ställen Tiere gemästet, die dann ohne Erlaubnis geschlachtet wurden. In den Polizeiakten der Bezirksregierung findet sich wiederholt der Hinweis, daß "wohl regelmäßig auf den Höfen 2 - 4 Tiere mehr vorhanden sind als angegeben bzw. bei Kontrollen feststellbar sind". Deshalb ging man staatlicherseits hier mit einem hohen Strafmaß vor, um Abschreckung zu erreichen. Trotzdem bekam man dieses Problem nicht in den Griff.



Zwischen Einheimischen und Flüchtlingen war dieses auch oft ein Anlaß für Unstimmigkeiten und Neid, da die Neubürger dieses - mangels Viehbesitz - nicht tun konnten. In einem Fall ist bekannt, daß ein vertriebener Hausgenosse die alleinstehende Frau anzeigte, die dann mehrere Wochen inhaftiert war. Überwiegend arrangierte man sich in diesen Dingen aber, schließlich hatten dann ja alle mehr zu essen.



Der Bürgermeister deckte das Tun seiner Bürger weitgehend, indem bei der Ausstellung der Schlachterlaubnisscheine zwei Registerblöcke geführt wurden, der eine aber aus den Unterlagen des Bürgermeisters verschwand. Die Umstände des Schlachtens muten heute unglaublich an; in abgelegenen Häusern, im Wald und bei Nacht wurde es durchgeführt. Vertraute standen "Schmiere", wenn sich jemand unvorhergesehen näherte. - In einem Kirchspielsdorf des Kreises Bersenbrück (das Haus lag direkt an der Kreisstraße) versuchte man, das unangemeldete Schlachten als unumgänglich darzustellen, indem man dem geschlachteten Schwein, als es auf der Leiter auskühlte, ein Schild mit folgender Aufschrift umlegte-.



"Dies Schwein starb früh den Heldentod, weil Deutschland hat kein Roggenschrot!"



Die Vertreter des Staates sahen das als Provokation an und verhängten drakonische Strafen.



Von großer Bedeutung war für die Bevölkerung auch das "Schwarzbrennen". Mit primitivsten Destillationsanlagen erzeugte man Alkohol aus Kartoffeln, Getreide und Obst. Auch das mußte natürlich in aller Heimlichkeit geschehen. Es soll einige "Künstler", gegeben haben, deren Erzeugnisse begehrt waren. Sowohl beim ungesetzlichen Schlachten als auch beim Destillieren drückte die Polizei oft beide Augen zu. Hatte man zum jeweiligen Polizisten Vertrauen gefaßt, war vieles möglich. Als 1946 einmal die Polizei einen heftigen Streit unter Flüchtlingen auf einem Grönloher Hof schlichten mußte, wurde dort in der Küche gerade nach dem Schlachten gewurstet sowie Schnaps gebrannt. Für den Bauern war eine heikle Situation entstanden.- Als aber dem Polizisten kurzerhand eine Kostprobe gereicht wurde, vergaß er seine staatliche Funktion und hat sich anschließend mit dem Bauern und Bürgermeister gehörig betrunken. - Ungesetzliches Schlachten und Destillieren ist seit Anfang des Krieges bis kurz nach der Währungsreform praktiziert worden.



Alle Zeitzeugen betonen übereinstimmend, daß niemand nach den grauenhaften Kriegsjahren und den ebenfalls schlimmen Jahren bis 1948 an eine so schnelle und nachhaltige Besserung der Lebenssituation geglaubt hat. Nachdem sich die Wirtschaft bemerkenswert schnell konsolidierte, führte dies rückblickend zu einer fast reibungslosen Integration der Zuwanderer, ohne deren Engagement das schon bald einsetzende Wirtschaftswunder sicher nicht denkbar ist.







In Ehrfurcht wollen wir derer gedenken, die in den vergangenen Kriegen ihr Leben für das Vaterland gaben und in fremder Erde ruhen.


1914-1918 1. Weltkrieg

W. Kramer

O. Möllmann

W. Eilers

G. Middelkamp

H. Wiegand

H. Middelkamp

A. Osterloh

W. Schulte

W. Dinkelmann

A. Netheler

H. Wessling

H. Schöneberg

F. Trimpe

W. vor der Brüggen

W. zurLage

H. vor der Brüggen

H. Bruning

H. Gräner

H. Thee

W. Enders

W. Linkugel

H. Schiering

G. Rengermann

R. Göhlinghorst







1939-1945 2. Weltkrieg

Karl Baumeister

Bruno Kujawa

Rudolf Bödeker

Werner Lock

Gerhard Borgstede-Rüter

Arnold Middelkampf

Hermann Denningmann

Heinrich Middelkampf

Gustav von Dielingen

Hermann Middelkampf

Erich Eilers

Wilhelm Middelkampf

August Eveslage

Hermann Pöppelmeyer

Heinrich Gerdes

Karl Rantze

Heinrich Haverkamp

Arnold Sähnke

Wilhelm Hausfeld

Wilhelm Sähnke

Hermann Hengehold

Gerhard Siltmann

Günther zur Horst

Hermann Stallfort

Heinrich Högemann

Heinrich Schone

Heinz Hußmann

Wilhelm Schweers

Hermann Igelmann

Hermann Werner

Karl Klitsch

Hermann Wulfert-Block

Wilhelm Köper




Die nach 1945 in Grönloh ansässig gewordenen Mitbürger beklagten den Tod der folgenden Angehörigen:

A. Bögner

G. Jellmann

0. Brötzmann

H. Kunze

J. Buchmann

A. Kurpjuhn

I. Budzinski

A. Kurpjuhn

M. Budzinski

Joh. Kurpjuhn

W. Budzinski

A. Novag

A. Gellrich

F Roß

A.Hochheiser

A.Roß

G. Hilbich

H. Seipel

M. Ising

P. Schindler

H. Jellmann

L. Werner







Quellen


Wortprotokolle von 10 Zeitzeugen aus Grönloh
Bersenbrücker Kreisblatt 1939 - 1948


Staatsarchiv Osnabrück Rep. 430, Dez. 201, acc. 16 B/65, Nr. 114

sowie Nr. 84 - 88


Rep. 430, Dez. § 00 f, Nr. 426 und 427

Gemeindeakten der ehemaligen Gemeinde Grönloh
(inliegend Akten des Kreises Bersenbrück
hier: Flüchtlingsamt und Wirtschaft- und Ernährrungsamt)

Werner Dobelmann: Land im Sturm, Der Krieg 1939 - 45
im Kreis Bersenbrück, Mitteilungsheft
Nr. 13 (KHBB) 1965, S. 185 - 235